Statement

des Stadtjugendrings Stuttgart und der Deutschen Gewerkschaftsbundjugend Stuttgart

Derzeit kursieren auf Social-Media Behauptungen und Anschuldigungen gegen das Organisationsteam des Festivals gegen Rassismus in Bezug auf den Ausschluss des Palästina-Komitees. Darauf bezogen möchten wir nun als Stadtjugendring Stuttgart und als Deutsche Gewerkschaftsbundjugend Stuttgart ein Statement geben – besonders deshalb, weil wir mit unserer Entscheidung ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setzen wollen.

Im Mittelpunkt unseres Festivals sollen Expertisen und Perspektiven von Menschen stehen, die selbst mit Rassismus konfrontiert sind. In unseren Augen ist es wichtig, dass alle Stimmen von marginalisierten Gruppen Gehör finden und so auch die Wut über die erlebte Diskriminierung. Es ist nicht unser Anliegen, Menschen vorzuschreiben, in welcher Form sie ihrer Wut Luft machen und ihr Anliegen kommunizieren sollen. Sowohl die Perspektive von Palästinenser*innen als auch das Erleben von israelbezogenem Antisemitismus finden in unserer Gesellschaft zu wenig Beachtung. Wir möchten grundsätzlich kein Denken in Gut und Böse vorantreiben, da dies der Komplexität der Konflikte auf dieser Welt nicht gerecht wird. Auch möchten wir keine Betroffenen-Perspektiven gegeneinander ausspielen. Antisemitismus und Rassismus sind verwandt. Wir fordern einen Grundkonsens, in dem Antisemitismus und Rassismus im Allgemeinen in keiner Form toleriert werden und gemeinsam bekämpft werden.

Aus diesem Grund erfolgte zu Beginn der Festivalorganisation nach einem ersten unverbindlichen Treffen der Ausschluss einer pro-palästinensischen Gruppe, die die antisemitische BDS-Kampagne unterstützt. So nimmt diese auf ihrer Website positiven Bezug auf die BDS Kampagne und bewirbt diese ebenfalls. Es ging dabei explizit nicht um den grundlegenden Ausschluss palästinensischer Perspektiven. Obwohl das Medium der Kommunikation (WhatsApp) nicht gut gewählt war, halten wir dennoch an dem inhaltlichen Vorwurf fest und sind der Überzeugung, dass keine Zusammenarbeit im Organisationsprozess des Festivals mit Unterstützer*innen der antisemitischen BDS-Kampagne erfolgen darf. Warum die Kampagne antisemitisch ist, möchten wir im Folgenden erläutern.

Boycott, Divestment and Sanctions (dt. „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, abgekürzt BDS) ist eine internationale politische Kampagne, die Israel auf den Gebieten der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur isolieren will. Auf den ersten Blick scheint BDS eine friedliche Kampagne zu sein, die sich für die Grundrechte arabisch-palästinensischer Bürger*innen in Israel sowie für palästinensische Geflüchtete einsetzt. Die Forderungen der Kampagne wirken auch auf den ersten Blick moderat. Jedoch muss zur Beurteilung die Kampagne als Ganzes betrachtet werden:

  1. Das Existenzrecht Israels

Die BDS Kampagne fordert eine „Rückgabe allen arabischen Landes“ und lässt dabei jedoch offen, welches Territorium genau gemeint ist. Damit wird nicht nur dem gesamten israelischen Volk die Selbstbestimmung und der Schutzraum eines Staates abgesprochen – vielmehr bedeutet die Abschaffung des Staates Israel die erneute Verfolgung jüdischer Menschen. Die deutsche Sektion von BDS positioniert sich offiziell nicht pro Einstaaten- oder Zweistaatenlösung. Auf deren Kundgebungen ist hingegen immer wieder eine eindeutige Positionierung zu vernehmen. Einer der beliebtesten Schlachtrufe lautet dort: »From the river to the sea, Palestine will be free«. Für Israel ist in dieser Vorstellung kein Platz mehr.

  1. Grundrechte arabisch-palästinensischer Bürger*innen in Israel

Die Forderung nach Gleichheit der 1,3 Millionen arabisch-palästinensischer Bürger*innen in Israel bedeutet nicht, dass diesen derzeit nicht die gleichen Rechte zustehen würden wie der restlichen Bevölkerung Israels. Natürlich sind der Staat Israel und die zunehmend polarisierte und fragmentierte israelische Gesellschaft keineswegs frei von Diskriminierung und Rassismus. Auch der dauerhaft andauernde gewaltsame Konflikt verschärft die Situation weiter immens. Eine juristisch verankerte, ethnisch diskriminierende Staatsangehörigkeitsregelung existiert in Israel – anders als durch die BDS-Forderung insinuiert – jedoch nicht.

  1. Rückkehrrecht aller palästinensischen Geflüchteten

Auch das Rückkehrrecht für alle geflüchteten Menschen, dass der BDS fordert, würden wir auf den ersten Blick natürlich befürworten. Die rechtliche Lage um palästinensische Geflüchtete ist jedoch komplexer, da sie als einzige Menschen mit Fluchterfahrung auf der Welt nach der UN-Resolution von 1994 den Geflüchtetenstatus vererben können. Das bedeutet, dass nicht nur diejenigen ein Rückkehrrecht hätten, die zu Beginn der Staatsgründung vertrieben wurden oder geflohen sind (~ 750.000 Menschen), sondern auch deren Kinder, Enkel und weitere Nachkommen. In der Konsequenz würde dies eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Staat Israel und damit, wie im ersten Punkt beschrieben, das Ende eines demokratisch organisierten Schutzraumes für Jüdinnen und Juden weltweit bedeuten.

Auch durch das gewaltvolle und aggressive Auftreten der Anhänger*innen der Kampagne ist weltweit zu beobachten, dass die Freiheit jüdischen Lebens massiv bedroht ist.

Besonders Juden und Jüdinnen, die sich nicht gegen das Existenzrecht Israels aussprechen, werden bedroht, beleidigt und sogar körperlich angegriffen. Die Aktivitäten um die BDS-Kampagne bilden einen Nährboden für Antisemitismus auf der ganzen Welt. Die im Kern schon antisemitischen Forderungen treffen auf eine durch Hass gegen Jüdinnen*Juden geprägte Welt.

In unserer Definition von Antisemitismus beziehen wir uns auf die „Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA). Diese scheint im Gegensatz zur Jerusalemer Erklärung nicht einzig zu dem Zweck geschrieben worden sein, israelbezogenen Antisemitismus zu legitimieren. Eine gute Gesamtanalyse der BDS-Kampagne liefert die Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/328693/antisemitismus-in-der-bds-kampagne/

Mit dem Anspruch, eine möglichst große Perspektivenvielfalt im Organisationsprozess unseres Festivals zu ermöglichen, starteten wir Ende letztens Jahres einen öffentlichen Aufruf zur Mitbeteiligung am und Mitgestaltung des Festivals. Die Zusammenarbeit mit dem Palästina-Komitee konnte allerdings aufgrund der Unvereinbarkeit von Perspektiven nicht gelingen. Dass im Verlauf unserer Arbeit Prozesse und Entscheidungen nicht transparent genug diskutiert wurden, sehen wir als Kritikpunkt, dem wir uns in einer ausführlicheren Reflexion widmen möchten. Wir hoffen, unsere Perspektive und auch die Komplexität der Situation nachvollziehbar dargestellt zu haben. Wir blicken positiv auf das kommende Festival, bei dem die Perspektiven marginalisierter Gruppen im Mittelpunkt stehen werden.

Quellen:

https://amchainitiative.org/antisemitic-activity-schools-large-Jewish-report-2015, letzter Zugriff 10.12.2017.

Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS), »Antisemitische Vorfälle in Berlin. Bericht 2016«

https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/328693/antisemitismus-in-der-bds-kampagne/